Beuys und Mönchengladbach
Ort aufsehenerregender Kunstaktionen
Ort aufsehenerregender Kunstaktionen
Die Anglerweste angelegt, eine Zigarette im Mund und Augen, die in die Ferne blicken: Wer am Johann-Peter-Boelling-Platz nach oben auf das riesige Mural an der Hausfassade schaut, der erkennt, wie präsent Joseph Beuys noch heute in Mönchengladbach ist. In der grünen Stadt am Niederrhein feierte der Künstler große Erfolge mit seiner ersten umfassenden Ausstellung, die er 1967 im ehemaligen Museum an der Bismarckstraße ausrichtete. Hier festigte er die Freundschaft zu Hans Hollein, dem international gefeierten Architekten des Museums Abteiberg, der direkt neben ihm auf dem Wandgemälde zu erkennen ist. Im Stadtzentrum nahm Beuys mit seinen provokanten Aktionen über die Jahre großen Einfluss auf die lokale Kunstszene und sorgte, wo er es auch nur konnte, für ein breites Medienecho.
Einer der Schauplätze, an dem heute eine Tagestour zu wichtigen Zeugnissen und Kunstwerken beginnen kann, ist die Basilika St. Vitus auf dem Abteiberg. Beuys schrieb am 31. März 1972 (Karfreitag) bei der Aktion „Friedensfeier“ das Wort „Exit“ mit einem in Essig getränkten Schwamm an das Westportal des Münsters und zerschlug daraufhin einen Schwefelkies. Vorher hatte er bereits mit Schülern und Freunden einen Gesang von Friedrich Hölderlin angestimmt und Ausschnitte aus Platons Dialogen, Montesquieus „De l’esprit des loix“ und dem Johannesevangelium vorgelesen. Die Liturgie im Freien sollte Kritik an der Kirche als Institution üben, war jedoch für Umstehende ohne Hintergrundwissen schwer zu verstehen.
Bei einem Rundgang über den Abteiberg ist der Schriftzug an der Pforte noch heute auszumachen, da er nachträglich von einem Unbekannten in das Holz geritzt wurde. Sehenswert ist zudem der idyllische Abteigarten, der nur wenige Meter von dem Münster entfernt liegt. Hier warten mehrere Skulpturen bedeutender Bildhauer darauf, auf den Grünflächen entdeckt zu werden. Unter anderem ist auch der „Königsstuhl“ aus Stahlplatten dabei, der von Beuys‘ Meisterschüler und Weggefährte Anatol Herzfeld gefertigt wurde.
Für einen weiteren Skandal sorgte Joseph Beuys in Mönchengladbach, als er die Eröffnungsfeier des Museums Abteiberg im Jahr 1982 verließ, um auf eine gegenüberliegende Mauer an der Abteistraße mit grüner Farbe den Satz „Haus Zoar muss bleiben“ zu sprühen. Zu dieser Zeit sollte das autonome Jugendzentrum Haus Zoar abgerissen werden. Die Protestrufe Jugendlicher schallten von außen in die Ausstellungshallen, was den Mann mit Hut dazu bewegte, das Protokoll zu brechen und sich für ihre Sache stark zu machen.
Obwohl der Schriftzug nach dem Eröffnungsabend schnell überstrichen wurde, ist etwas von der aufsehenerregenden Aktion übrig: Die alte Mauer steht noch an selber Stelle. Den Schriftzug können Besucher auf ihrem Handydisplay via Augmented Reality wieder erscheinen lassen. Über die App „Yona“ ist das möglich, die die Stadt Mönchengladbach nutzt, um den Beuys-Hotspots neues Leben einzuhauchen und Wissen zu den Orten zu vermitteln.
Wer schließlich das Museum Abteiberg selbst betritt und nach Arbeiten von Joseph Beuys Ausschau hält, der wird in dem architektonischen Meisterwerk schnell fündig: Heute zählen über 200 Objekte und Skulpturen von Joseph Beuys zum Besitz der Einrichtung, die sich auf moderne und zeitgenössische Kunst spezialisiert hat. Zu den Exponaten zählen unter anderem das sogenannte „Aggregat“ von 1962, eine zweiteilige Bronzeplastik, die einen Energiefluss symbolisiert, wie auch das Revolutionsklavier von 1969, ein umgestaltetes Musikinstrument, das mit verwelkten Rosen und Nelken bestückt ist. Es erinnert an die deutsche und französische Revolution und greift das Motiv des Freiheitsdrangs auf.
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