Mit Maureen, Jessi und Mike bei Oma Kleinmann in KölnZu Gast bei Freunden

Kwartier Latäng nennen sie das Viertel rund um die Zülpicher Straße, die kölsche Version des Pariser Studentenviertels „Quartier Latin“ Die vielen Altbauten sind mit Graffitis bemalt. Restaurants, Bars und Clubs reihen sich aneinander. Es gibt Kölsch und Döner, Falafel und Pulled Pääd, eine kölsche Version von Pulled Pork mit Sauerbraten vom Pferd. Und natürlich die besten Schnitzel der Stadt. Bei Oma Kleinmann. Irgendwann haben sich auch Manjet Gill und Jaswinder Phull in die traditionsreiche Eckkneipe mit den einfachen Holztischen und der Fototapete aus hunderten Schwarzweiß-Aufnahmen an den Wänden verirrt, wollten eigentlich nur Fußball schauen. Doch die beiden sind geblieben. Seit 2006, die Fußball-WM fand gerade in Deutschland statt, sitzen sie nun jeden Samstag am Tresen von Wirtin Maureen Wolf, plaudern mit Köbes „Shorty“ über Gott und die Welt und werfen ein wenig Geld ins Sparkästchen. Bei Oma Kleinmann sind Jessi und Mike zu Gast bei Freunden.

Stimmengewirr und Sprachenvielfalt

Endlich wieder auf den beiden Barhockern Platz nehmen zu können, ganz außen am Tresen und direkt am Eingang, darauf haben sich die Männer monatelang gefreut. „Zu Hause schmeckt das Kölsch einfach nicht so gut“, sagt Mike, während er mit Jessi und Maureen auf das Wiedersehen anstößt. Es wird nicht das letzte Obergärige bleiben an diesem Vormittag. Denn schnell kommen die Drei ins Plaudern. Sofort ist die Vertrautheit zwischen der patenten Kneipenwirtin und den beiden älteren Herren zu spüren, in deren noch leicht indischen Akzent sich immer wieder auch ein kölscher Zungenschlag mischt. Sie erinnern sich an Gunnar, der hier lange am Zapfhahn stand, und an Ralf, den Enkel von Oma Kleinmann. Und an die Hochzeit von Maureen und Olaf, zu der Jessi und Mike eingeladen waren, weil „sie mir im Laufe der Jahre so ans Herz gewachsen sind und weil ich endlich auch mal die Ehefrauen der beiden kennenlernen wollte …“. Maureen sagt’s mit einem Augenzwinkern, während ihre beiden liebsten Stammgäste noch immer ganz gerührt sind.

Ein Highlight ihrer gemeinsamen Kneipen-Geschichte ist aber stets die Weihnachtsfeier des Sparkästchenvereins. Einmal haben Jessi und Mike, deren richtige Namen hier übrigens kaum jemand kennt, für alle Indisch gekocht. „Das müssen wir unbedingt bald wiederholen“, sagt Maureen voller Freude darüber, dass der Lärmpegel Bei Oma Kleinmann endlich wieder gestiegen ist und sie ihre Stammgäste wie gewohnt begrüßen kann. „Dieses Stimmengewirr und die Sprachenvielfalt mag ich am liebsten.“

Was Oma Kleinmann wohl getan hätte

Gemeinsam mit ihrem Mann Olaf hat die heute 49-Jährige die Gaststätte an der Zülpicher Straße im Jahr 2002 von Paula Kleinmann und ihrem Enkel übernommen und kaum etwas verändert. Die alte Leuchtreklame am Tresen hängt schon etwas schief. Die kleinen Schirmlampen an den Wänden spenden noch immer warmes Licht. Und selbst die schmalen, abgewetzten Holztüren zu den Toiletten stammen wohl noch aus den 1940er Jahren, als Oma Kleinmann hier ihr „ordentliches Speiselokal“ eröffnete. Was sie wohl während des Lockdowns getan hätte, fragt sich Maureen plötzlich und liefert die Antwort in ihrer offenen und herzerfrischenden Art gleich mit: „Sie wäre vermutlich mit der Schnapsflasche draußen rumgelaufen und hätte allen eingeschenkt.“

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Die Wirtin durfte bei ihren Gästen anschreiben

Maureen, deren Leidenschaft für die Gastronomie bei jeder Geste und jedem Satz mitschwingt, hat derweil Schnitzel durchs Fenster verkauft und viel Zuspruch von ihren Gästen erfahren. Auch Jessi und Mike haben natürlich regelmäßig auf einen kleinen Plausch und ein großes Schnitzel to go vorbeigeschaut. „Manche Leute haben sogar Schnitzel gegessen, obwohl sie gar keinen Hunger hatten.“ Maureen lacht und ist gleichzeitig gerührt über so viel spontane Hilfe, die sie und ihr Team erfahren haben. Denn während die Gäste sonst bei ihr „einen Deckel machen“, durfte die Wirtin in den vergangenen Monaten bei ihren Gästen anschreiben. 20 zinslose Privatkredite sind so zusammengekommen. Die erste Zinsparty der Hilfsaktion „Deckel 2.0“ soll schon im Sommer steigen.

Und irgendwann ist ja auch wieder Karneval. „Dann ist hier der Teufel los.“ Das wissen auch Jessi und Mike, während Maureen sich gar nicht genau erinnern kann, „ob wir überhaupt schon einmal zusammen Karneval gefeiert haben“. Ist auch egal. „Das holen wir nach. Und das erste Schnäpschen geht selbstverständlich aufs Haus“, verspricht die Wirtin ihren beiden Gästen, die genau wissen, „dass unsere Plätze hier an der Theke immer für uns frei sind“.

Johannes Höhn

Entdeckungen in KölnBei uns im Veedel

Nur langsam erwacht das Leben im Studentenviertel an der Zülpicher Straße in Köln. Nur keine Hektik am frühen Morgen. Stattdessen herrscht rheinische Gelassenheit. Viele Rollläden an den bunt bemalten Altbauten sind noch heruntergelassen. Der Postbote macht seine Runde, und zwischendurch fährt die Straßenbahn vorbei. Doch wenn die Bars, Restaurants und Kneipen im Veedel öffnen, geht es lebhaft zu und die rheinische Gelassenheit mündet in rheinische Gastfreundschaft. Familien und Studenten sind hier zu Hause, wohnen friedlich mit- und nebeneinander. Die Generationen unterschiedlichster Nationalitäten treffen sich auf ein Kölsch an der Theke oder im Biergarten. Und gern darf es auch „ne halve Hahn“ sein.

Was den Berlinern ihr Kiez, ist den Kölnern ihr Veedel. Hier präsentiert sich die Rheinmetropole weltoffen und traditionell zugleich. Hier wird Brauhauskultur gelebt und gepflegt. Im Schankraum hat der Köbes das Sagen und unterscheidet nicht zwischen Einheimischen, Zugezogenen und Touristen, die gemeinsam bei ihm am Tresen sitzen und schnell ins Gespräch kommen. Geplaudert wird dann über Gott und die Welt. Über Kunst, Kultur und Kulinarik. Über kreative Street-Art und klassische Sinfoniekonzerte. Über Karneval und Käsebrötchen. Bis irgendwann die Rollläden wieder runtergelassen werden. Aber das kann noch eine Weile dauern.

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