Schloss Türnich in Kerpen
Ein zauberhaftes Erbe mit vielen Unterstützern
Wenn Schlossherren ihre Türen für Publikum öffnen, verbreiten die ehrwürdigen Mauern meist den Eindruck, als könne die Monarchie gleich wieder eingeführt werden. Frisch geweißte Wände, prachtvoller Stuck und gepflegtes Mobiliar lassen Besucher vom scheinbar unbeschwerten Leben früherer Besitzer träumen. Schloss Türnich ist anders.
Auf den ersten Blick ist auch das Herrenhaus im Rhein-Erft-Kreis ein prachtvolles Lustschloss. Die Fassade ist neu hergerichtet, der englische Landschaftspark entwickelt sich und die Atmosphäre: zum Schwärmen! Und doch ist die Anlage in Kerpen, ein paar Kilometer südwestlich von Köln, kein Prunkbau mehr wie so viele andere in dieser an Schlössern so reichen Gegend. Gerade deshalb ist es einen Besuch wert.
Juwel mit Neigungsgrad
Wer bei einer Führung das Hauptschloss betritt, erkennt es gleich: der Stuck hält sich nur noch mit großen Lücken an den Decken, manche Treppe braucht schon provisorische Unterstützung und Stil-Fauxpas aus vergangenen Zeiten wie ein 1960er-Jahre-Bad warten auf ihren Rückbau. Ganz zu schweigen von den indirekten Folgen des Braunkohleabbaus in der Region. Das Schloss neigt sich – es leidet. Dabei ist es ein architektonisches Schmuckstück, das anderen rheinischen Schloss-Juwelen sehr ähnelt, etwa dem UNESCO-Welterbe Schloss Falkenlust in Brühl.
Der Besitzer dieses prachtvollen Erbes, Schlossherr Severin Graf von Hoensbroech, hatte lange überlegt, ob er mit seiner Familie die Mühen einer Sanierung auf sich nehmen soll. Dann fiel die Entscheidung: es wird versucht. Das spätbarocke Haus, das seit 1850 im Familienbesitz ist und seit 1979 leer stand und zusehends verfiel, soll gerettet werden. Heute, einige Zeit nach der Entscheidung, wird er nicht müde zu berichten, was geleistet wurde, welche Renovierungen bald folgen und wie breit der Rückhalt der Familie, von Nachbarn, Freunden und freiwilligen Helfern ist, die überall mit anpacken. Das macht den großen Charme des Hauses aus.
Schloss Türnich ist nicht künstlich aufgehübscht, es will nichts verstecken, es zeigt eindrucksvoll die Arbeit und den Aufwand, den der Erhalt eines solchen Lustschlosses aus dem 18. Jahrhundert heute erfordert. Dabei wird das bisher Geleistete ebenso sichtbar wie der Elan, den die Beteiligten aufbringen: zum Beispiel im zauberhaften Schlosscafé. Hier haben zwei engagierte Köche ihre Bestimmung gefunden und bieten ideenreich eine bodenständige, regionale und saisonale Küche. Selbstverständlich in Bio-Qualität, denn Graf von Hoensbroech versucht auf 37 Hektar Ackerland die Ökologie ebenso mit der Ökonomie unter einen Hut zu bekommen wie den Erhalt des Denkmals.
Neben dem Café-Besuch gibt es weitere gute Gründe für eine Reise nach Türnich: Führungen, Gartenmessen, Lesungen und viele weitere regelmäßige Veranstaltungen. Hauptsache, die Besucher nehmen sich ein bisschen Zeit für ihren Besuch auf dem Schloss. Wenige Kilometer vom Michael-Schumacher Kart-Center entfernt ist auf Schloss Türnich das Gegenteil gefragt: Entschleunigung.