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„Wenn ich spät dran bin und mich beeilen muss“, sagt Martje Thalmann, „dann schaffe ich den Aufstieg auch mal in zwei Minuten“. Die Frau hat Übung. Denn der Aufstieg, das sind immerhin 300 Stufen. Sechs Mal in der Woche steigt die gebürtige Norwegerin am Abend die schmale Stiege hinauf - zu ihrem Arbeitsplatz, in die Türmerstube von St. Lamberti in Münster. „Dein NRW“ hat Deutschlands einzige Türmerin im Staatsdienst dort, hoch oben über den Dächern der Bischofsstadt, besucht. 300 Stufen rauf und wieder runter.

  • St. Lamberti Münster aus Sicht des Prinzipalmarktes, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
  • Türmerin schließt ihr Postfahrrad ab, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
  • Aufstieg hoch in den Turm der Lambertikirche, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
  • Schlüsselanhänger mit Aufschrift Türmerin, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.

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Martje Saljé - die Türmerin von Münster, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.

„ Schon als Kind stand Münster ganz oben auf meiner Liste der Städte, in denen ich mal arbeiten wollte. Und nun bin ich tatsächlich hier und darf Teil dieses Jahrhunderte alten Brauchtums sein.
Unfassbar!“

Martje Thalmann 

 

Die hohe Kunst des Tutens

Immer allein, aber nie einsam

Über solche und andere stadtgeschichtlichen Ereignisse und Forschungsergebnisse berichtet sie regelmäßig in ihrem eigenen Blog: www.tuermerinvonmuenster.wordpress.com

Schließlich steigt sie nicht jeden Abend zum Spaß die schmale Wendeltreppe hinauf in die urige Stube mit allerhand Bildern an den Wänden, Stadtplänen, zahlreichen Büchern, Fachmagazinen, dem alten Radio aus Opas Zeiten, einem Kassettenrecorder noch aus Kindertagen und den beiden kleinen Heizlüftern, die ein wenig Wärme in der kühlen Turmspitze spenden. Mittendrin entdecken wir auch Seifenblasen („für die gute Laune“) und einige von m-ART-je selbstgemalte Postkarten. Die Motive: Alles rund um Münster. Denn neben der Musik und der mittelalterlichen Geschichte ist auch die Kunst eine große Leidenschaft der in Südnorwegen und in der Nähe von Bremen aufgewachsenen Frau, die nebenbei noch als Lektorin und Übersetzerin für Englisch und Französisch arbeitet. 

Und während der Blick weiter durch das geordnete Chaos in der Türmerstube schweift, bemerkt Martje Thalmann kurz noch: „Alles hier oben ist übrigens ordnungsgemäß geprüft und sicherheitstechnisch abgenommen.“ Und mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu:

„Das ist hier also nicht nur der schönste Arbeitsplatz der Welt, sondern wohl auch der sicherste.“

Zumal sich die Türmerin auch jeden Abend beim Amtsantritt bei der Feuerwehr an- und nach Feierabend wieder abmelden muss. Ist sie doch stets ganz allein hier oben, darf aus Sicherheitsgründen niemanden mitnehmen. Auch öffentliche Führungen gibt es im Turm von St. Lamberti in Münster nicht. „Ja“, sagt die Türmerin, „ich bin immer allein hier, einsam bin ich nicht.

  • Zimmer der Türmerin von Münster, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
  • Pop Art Postkarte der Türmerin von Münster, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
  • Inschrift auf dem Horn der Türmerin, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
  • Münsteraner Türmerin mit Horn, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.
Inschrift auf dem Horn der Türmerin, © Ralph Sondermann, Tourismus NRW e.V.

„Zum Sehen geboren
zum Schauen bestellt
dem Turme geschworen
gefällt mir die Welt“

Johann Wolfgang von Goethe

Martje Thalmann, die sich bei ihrer Bewerbung vor drei Jahren mit diesem Goethe-Zitat gegen immerhin 46 Mitbewerber durchsetzen konnte, schreibt deshalb alles auf, was sie hier oben schon so alles erlebt und gelernt hat. „Till Eulenspiegel beispielsweise kennt jeder“, sagt sie, „aber wussten Sie, dass der auch einmal Türmer war?“ Eine andere Geschichte handelt etwa von der „hohen Kunst des Tutens“. Das nämlich folgt einer bestimmten Zahlenmystik und ist keineswegs so leicht, wie der Laie sich das vorstellt. „Vor allem musste es auf Anhieb klappen.“ Denn üben konnte Martje Thalmann mit der gut 1,20 Meter langen, kostbaren Nachbildung des Original-Horns vor ihrem „ersten Mal“ nicht. Das hätte ja jeder gehört.

Die zentrale Zahl bei allen Signalen ist übrigens die „3“. Sie steht unter anderem für die Dreifaltigkeit Vater, Sohn und Heiliger Geist. Um 21 Uhr erklingt deshalb dreimal ein dreifaches „Tuuuut“, um 22 Uhr sind 2×3 Tuuuut plus 1×4 Tuuuut vom Turm zu hören, also: „Tuuuut – Tuuuut -Tuuuut (Pause) Tuuuut – Tuuuut -Tuuuut (Pause) Tuuuut – Tuuuut – Tuuuut – Tuuuut“. Am Anfang hat Martje Thalmann, die neben dem Türmerhorn noch acht weitere Instrumente wie Klavier, aber auch Renaissance-Laute und Kontrabass beherrscht, sich auch mal verzählt. „Das wurde in der Stadt sofort registriert“, erinnert sie sich. Meistens aber sind die Reaktionen auf ihr mittelalterliches Handwerk positiv. „Der Nachtwächter antwortet immer“, erzählt sie. „Die Leute rufen mich aber auch Rapunzel oder sie schreien scherzhaft: „spring nicht.“ Manche fordern auch eine Zugabe.
Die gibt es, natürlich, erst wieder zur nächsten vollen oder zur halben Stunde. Aber wer ganz genau hinhört, wird womöglich dann und wann auch ganz andere Töne hoch oben aus der Turmspitze vernehmen können. Denn selbst hört Martje Thalmann in ihrer Freizeit am liebsten Heavy Metal. Passt ja auch irgendwie zum Mittelalter.

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Aufnahme vom Ufer mit Blick auf die Burg Vischering im Münsterland, © Tourismus NRW e.V.

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