Die Außenfassade des Klosters in Dalheim, © Tourismus NRW e.V.

Mit neuem Namen in eine fremde Welt


Auf den Spuren der Augustiner-Chorherren von Kloster Dalheim

Ich kann mich einfach nicht entscheiden. Soll ich nun Beringar nehmen? Oder vielleicht Notger? Oder passt doch Erminold besser zu mir? Keine leichte Wahl. Auch wenn es in meinem Fall nur um den Namen geht, der auf dem Schlüssel für den Garderobenschrank steht. Für die Mönche war es eine Entscheidung fürs Leben. Also wähle ich, so wie sie, einen neuen Namen, schließe all meine weltlichen Dinge wie Geldbörse und Smartphone ein und trete an die Pforte. Mit dem Läuten der großen Glocke bitte ich um Einlass in die Klausur von Kloster Dalheim. Der erste Schritt in eine andere, fremde Welt.

Jahrhundertelang waren es Geistliche, die hinter den hohen Mauern der idyllisch gelegenen Klosteranlage südöstlich von Paderborn eine Gemeinschaft bildeten. Im Mittelalter zunächst als Frauenkonvent gegründet, siedelten sich im 15. Jahrhundert die Augustiner-Chorherren bei Lichtenau an und machten das Kloster zum geistlichen und wirtschaftlichen Zentrum der Region. Auf ihre Spuren begeben sich die Besucher heute in Deutschlands einzigem Museum für Klosterkultur. Denn obwohl die Preußen im Jahr 1803 die Mönche vertrieben, ihre Kapelle abrissen und große Teile der prächtigen Gartenanlagen verwüsteten, blieben die Klostermauern, der mittelalterliche Kreuzgang und die barocken Scheunen bis heute erhalten.

Was ist dein Begehr?

Durch die alte Klosterküche mit dem riesigen Steinofen, in dem beim regelmäßig stattfindenden Familientag „Et labora! Handwerk im Kloster“ bis zu 300 Brote für die Besucher gebacken werden, gelangen die „Neuankömmlinge“ nun also dorthin, wo sonst nur Geistliche Zutritt hatten. Hier, zwischen Drinnen und Draußen, wartet auch gleich die erste Prüfung auf sie. In großen Lettern leuchtet die Frage: „Was ist dein Begehr?“ Denn von jeher gab es vielfältige Gründe ins Kloster zu gehen. Eine junge Frau namens Clara etwa schreibt im Jahr 1211, sie wolle nicht verheiratet werden, sondern wie Franz von Assisi ihr Leben in Armut Gott weihen. 300 Jahre später gelobt Martin, bei einem schweren Gewitter im Jahr 1505, in den Orden einzutreten. Auch geben Eltern oft den jüngstgeborenen Sohn in die Obhut der Mönche. „Früher war das Leben im Kloster ein wichtiges Lebensmodell unter vielen“, erklärt Dr. Ingo Grabowsky, Leiter der Stiftung Kloster Dalheim. LWL-Landesmuseum für Klosterkultur. „Und es war auch nicht die schlechteste Versorgungsanstalt.“ Denn das Leben hier bedeutete nicht nur Verzicht, es versprach auch soziale Aufstiegschancen und Bildung.
 

Der Klostergarten im Kloster Dalheim, © Tourismus NRW e.V.

Ganz menschlich


Selbstversorger mit Kräutergarten & eigenem Bier

Wird also erst einmal der Einlass gewährt,  folgen elf spannend inszenierte Räume, in denen sich dieses klösterliche Leben abspielte. Sie alle sind verbunden durch den mittelalterlichen Kreuzgang, dessen prächtige Deckenfresken liebevoll restauriert wurden. Von hier, wo früher gebetet wurde, aber auch ganz profane Beschäftigungen wie Wäschetrocknen und Schuheputzen erledigt wurden, geht es in den Chorraum. Es ist kalt in der hohen, schlichten Kirche. Beim Sprechen hallt es. Einmal im Jahr findet hier beim Klostermarkt noch ein großer, ökumenischer Gottesdienst statt. Grabowsky zeigt auf eine kleine Inschrift über der Eingangstür. Jemand bittet dort um Nachsicht für all jene, die etwas zu spät zum Gottesdienst kommen. „Eigentlich doch ganz menschlich ...“.

Überhaupt waren die Augustiner-Chorherren von Dalheim dem „normalen“ Leben nicht abgeneigt. Immerhin waren sie Selbstversorger, bauten in den zwei Hektar großen Klostergärten neben Kräutern und Heilpflanzen auch allerlei Obst und Gemüse an. Sie brauten ihr eigenes Bier, das Dalheimer Klosterbräu, und verbrachten viel Zeit im Skriptorium, wo heute via Bildschirm ein kalligraphisches Kunstwerk entsteht.
 

Dunkel ist es derweil nebenan, im einzigen Wärmeraum des früheren Klosters. Der gläserne Fußboden leuchtet rot wie einst die glühenden Kohlen im Ofen, der den Raum von unten beheizte. „Sozusagen  eine mittelalterliche Fußbodenheizung“, erklärt der Museumsleiter und führt weiter in den nächsten Raum, den Speisesaal. Ein „Bitte Ruhe“-Schild leuchtet auf und mahnt zur Stille. Beim Essen spricht man nicht. Also verständigten sich die Mönche mit Zeichensprache und griffen auch sonst hier und da zu einer kleinen List. So entdecken Besucher auf der animierten Speisekarte im alten Refektorium auch Gerichte vom Biber. Denn als Tier des Wassers durfte er während der Fastenzeit gegessen werden. Und  Fastenzeiten waren lang. Bis zu 160 Tage im Jahr mussten die Geistlichen darben. „Das Bild vom rundlichen, wohlgenährten Mönch dürfte also wohl kaum stimmen“, so Ingo Grabowsky.

Ein lebendiger Ort

Zur Zeit ist der Museumsleiter dabei, die große Sonderausstellung zum Thema „Verschwörungstheorien früher und heute“ vorzubereiten, die bis 22. März 2020 in Dalheim zu sehen sein wird. Teile der preisgekrönten Dauerausstellung „Eingetreten! 1.700 Jahre Klostergeschichte“ müssen dafür weichen. Doch Kloster Dalheim versteht sich ohnehin nicht nur als Denkmal und Museum, sondern als ein lebendiger Ort. Regelmäßig finden in der Klosteranlage und im Ehrenhof Veranstaltungen wie Konzerte, Feste und Handwerkskurse statt. Zudem bildet das Klostergelände jedes Jahr im August die beeindruckende Kulisse für den größten Klostermarkt Europas, auf dem Ordensbrüder und -schwestern aus rund 40 Abteien, Stiften und Klöstern ihre Waren anbieten. Denn das Leben im Kloster hatte, wie ich beim Rundgang erleben durfte, auch seine schönen Seiten.
 

  • Der Innenhof des Kloster Dalheims, © Tourismus NRW e.V.
  • Die Klosteranlage des Klosters in Dalheim, © Tourismus NRW e.V.
  • Ein Ausstellungsraum im Kloster Dalheim, © Tourismus NRW e.V.
  • Prächtiges Kirchengewölbe im Kloster Dalheim, © Tourismus NRW e.V.

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