
Altarvorhang in der Schatzkammer
Das Licht hinter dem dicken Vorhang ist abgedunkelt, und im Hintergrund erklingen geistliche Gesänge, als wir fast ein wenig ehrfürchtig die „Schatzkammer“ von Kloster Kamp betreten. Hinter Glas wird hier das „Kamper Antependium“ aufbewahrt, ein Altarvorhang aus dem 14. Jahrhundert. Er zeigt Jesus im Paradies, eingerahmt von seinen Jüngern. Aber auch Frauen wie etwa Hildegard von Bingen sind zu erkennen, obwohl der grüne Stoff schon stark verblasst ist.
Der Altarvorhang ist das wertvollste Exponat, das in dem kleinen, aber feinen Museum direkt gegenüber der ehemaligen Klosteranlage auf dem Kamper Berg der Öffentlichkeit präsentiert wird. Dicht gefolgt von „Peters Pontifikalklamotten“, wie Dr. Peter Hahnen das Ensemble aus Mitra, Schuhen und Handschuhen etwas rustikal nennt. Alles in leuchtendem Rot und Gold, wie es dem einstigen Abt Peter gefiel, der sich gern mit den Insignien der Macht darstellen ließ. „Von wegen Bescheidenheit ...“, sagt Hahnen mit leicht ironischem Unterton und einem Lächeln. Der studierte Theologe hat die Schlüsselgewalt über die „Schatzkammer“ und kennt auch sonst jeden auf dem Gelände des „Geistlichen und kulturellen Zentrums Kloster Kamp“, in dem alle Menschen jederzeit willkommen sind. „Auch die nicht ganz so Frommen.“

Jeder gibt, was er kann
Ruhe, Besinnung und Teilen
Denn seit 2002 die letzten holländischen Mönche die Anlage mit der schlichten Abteikirche, dem mit Stuck verzierten Rokokosaal und den wilden Obst- und Kräutergärten verlassen haben, ist Kloster Kamp ein Ort, der zur Ruhe und Besinnung einlädt. Es finden regelmäßig Einkehrtage und Seminare, Konzerte und Lesungen statt. Menschen, die trauern, finden hier Beistand. Es gibt regelmäßig einen Museumslunch sowie Kunstausstellungen im Gewölbekeller. Und selbst Yoga-Kurse für Kinder finden sich im Programm. Auch Radfahrer, die unter anderem auf der beliebten (weil flachen) NiederrheinRoute unterwegs sind, nutzen die Zeit für eine kurze Rast im Klostergarten. Ganz neu im Angebot: „Singen wie die Mönche“. Im Innern der Kirche mit dem für die Zisterzienser typischen Dachreiter für die Glocke erklingen dann gregorianische Gesänge, derweil die Besucher und Seminarteilnehmer im Innenhof die Sonne und selbstgebackenen Kuchen genießen. Hier, im Spendencafé, gibt übrigens jeder, was er kann.
Die Idee gehört zum Konzept des „Geistlichen und Kulturellen Zentrums“, das zunächst von einem privaten Verein aus lediglich neun engagierten Personen getragen wurde. „Bevor auch das Bistum irgendwann erkannt hat, dass wir die Leute hier tatsächlich erreichen“, so Hahnen. Der Leiter der Einrichtung ist geradeaus, findet mitunter auch deutliche Worte und weiß genau, was er hier hat. „Den schönsten Arbeitsplatz der Welt“, schießt es aus ihm heraus. Und damit meint er nicht allein den Blick in den romantisch-verwilderten Bruder-Konrad-Garten direkt vor der Tür des ehemaligen klösterlichen Krankentraktes. Es sind vor allem die Menschen, die hier arbeiten. „Mehr als 100 ehrenamtliche Mitarbeiter machen Kloster Kamp zu dem, was es ist“, sagt ihr „Chef“ und zollt ihnen seinen vollsten Rezept. Sie pflegen die Gärten, führen Gäste durch die Anlage und helfen im Spendencafé und im Klosterladen aus. Hier gibt es übrigens, das nur nebenbei, auch Honig vom klostereigenen Bienenvolk, Kräuterlikör und den Senf „Scharfer Pater“. In diesem Falle mittelscharf.
Teil der Landesgartenschau 2020
Beim Spaziergang mit Blick auf die prächtigen Terrassengärten, die vor 30 Jahren „noch eine Kuhweide waren“, bevor sie im Stil des barocken Vorbildes wieder aufgebaut wurden und nun Teil der Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort sind, erzählt Hahnen dann noch kurz von der bewegten Geschichte der Klosteranlage. „Wie eine Sprinkleranlage in der Wüste“ müsse die Gründung des Klosters im 12. Jahrhundert für die Menschen gewesen sein, sagt er. Jedenfalls machte sich in der Bevölkerung Begeisterung breit, als die ersten rund 100 Zisterzienser an den Niederrhein kamen, „die es ernst meinten mit der Sache Jesu“ und Kloster Kamp zu einem bedeutenden religiösen Zentrum machten. Es gab mehr als 60 Tochterklöster, als Napoleon die Mönche 1802 endgültig vom Kamper Berg vertrieb. Der beeindruckende „Stammbaum“ ist ebenfalls in der Schatzkammer ausgestellt.

Bürger engagieren sich
Herz schlägt für das Projekt
Mitte der 1950er Jahre kamen dann noch einmal Karmeliter-Mönche aus den Niederlanden nach Kamp-Lintfort. Doch als auch sie wieder verschwanden, drohte „eine unklare Zukunft in Händen eines profitorientierten Investors“. Wären da nicht die Bürgerinnen und Bürger der niederrheinischen Gemeinde gewesen. Sie kämpften für den Erhalt „ihres“ Klosters und konnten irgendwann auch den Bischof überzeugen. Viele von ihnen engagieren sich noch heute. Spaziergänger schlendern durch die Gärten und die mit Ranken bewachsene Pergola, die einem Kreuzgang nachempfunden ist. Seminarteilnehmer machen es sich im Schatten des großen Walnussbaums bequem. Viele Gäste suchen aber auch schlicht Ruhe oder das Gespräch, „ohne gleich konfessionell verhaftet zu werden“, wie Dr. Peter Hahnen es salopp formuliert. Wohlwissend, dass die katholische Kirche „zuhört“. Aber sein Herz „schlägt für dieses Projekt und die Menschen, die sich hier einfinden“. Denn wie war das noch gleich mit der Sprinkleranlage in der Wüste ...