Außenansicht Museum für Gegenwartskunst, Siegen, © Tourismus NRW e.V.

Als Bacon, der sechste nach Siegen kam


Zu Besuch im Museum für Gegenwartskunst

Das Gesicht ist verzerrt. Die Arme sind seltsam angewinkelt, als wolle er Schuld von sich weisen. Die Stimmung ist düster. Der Mann auf Francis Bacons Gemälde „Study for Portrait“ scheint innerlich zerrissen. Isoliert. Sein Mund steht offen, als wolle er schreien. Es ist Papst Innozenz X., der hier beinahe zur Karikatur verkommt. Seit 2017 gehört das Bild aus einer der berühmtesten Serien des irischen Malers zur Sammlung Lambrecht-Schadeberg und ist seitdem dauerhaft im Museum für Gegenwartskunst in Siegen zu sehen.

Als das großformatige Ölgemälde damals in dem Haus am Unteren Schloss angeliefert wurde, war die Anspannung groß. Zehn Jahre hatte man in Siegen auf diesen Moment gewartet. Noch größer war die Freude, als man Bacons Meisterwerk das erste Mal in Siegen der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Denn mit dem Erwerb der Arbeit aus dem Jahr 1962 verfügt das Museum nun über insgesamt sechs Werke von einem der bedeutendsten gegenständlichen Maler des 20. Jahrhunderts. So viele, wie in keinem anderen Museum auf dem europäischen Festland zu sehen sind.

Außenansicht Museum für Gegenwartskunst Siegen, © Tourismus NRW e.V.

„Und das ausgerechnet in Siegen“, sagt Karin Puck vom Museum für Gegenwartskunst mit leicht ironischem Unterton. „Tatsächlich sind viele Besucher erstaunt darüber, was für eine hochkarätige Sammlung sie hier zu sehen bekommen. In einer doch eher kleinen Stadt wie Siegen, deren Namen sie vorher oft gar nicht kannten.“ Dabei liegt Siegen doch in einer der waldreichsten Regionen Deutschlands, und die historische Altstadt ist neben dem bekannten Fachwerkensemble im Nachbarort Freudenberg ein städtebauliches Schmuckstück.

Auch ist Siegen der Geburtsort des Barockmalers Peter Paul Rubens, dem zu Ehren die Stadt hier seit 1957 den Rubenspreis vergibt. Alle fünf Jahre wird hier ein noch lebender europäischer Maler für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Mit der Österreicherin Maria Lassnig war es 45 Jahre nach der ersten Auslobung des Preises zum ersten Mal eine Frau. Einige ihrer grell-bunten und mitunter rätselhaften „Körpergefühlsbilder“, die in Siegen ausgestellt sind, malte sie erst kurz vor ihrem Tod.

Anfragen aus aller Welt

Polke, der damals in Köln lebte und arbeitete, wird wohl gewusst haben, wo Siegen genau liegt und dass es hier eine so hochkarätige und in ihrer Art einzigartige Sammlung gibt. Ebenso der gebürtige Hagener Emil Schumacher, der den Preis 1982 erhielt. Doch auch die internationale Kunstwelt kennt mittlerweile die lebhafte Studentenstadt mit der neuen Promenade, dem Schloss und dem Museum für Gegenwartskunst. 2001 wurde es in dem unter Denkmalschutz stehenden „Alten Telegraphenamt“ eröffnet, einem typischen Dienstgebäude aus wilhelminischer Zeit, in dessen verwinkelten Räumen sich immer neue, überraschende Blickwinkel auftun.

„Uns erreichen regelmäßig Anfragen aus aller Welt“, erklärt Karin Puck. Gerade sind zwei der sechs Bacons auf Reisen. Seine Arbeit „Landscape after van Gogh“ (1957) war erst jüngst in Marseille zu sehen. Und auch Werke von Lucian Freud, Cy Twombly und Bridget Riley, deren „Flimmerbilder“ eine ganz besondere Herausforderung für das Auge des Betrachters sind, werden immer wieder angefragt. Erfüllt werden selbstverständlich nicht alle Wünsche, schließlich ist und bleibt das Museum für Gegenwartskunst selbst die erste Adresse für die rund 200 Arbeiten aus der Sammlung Lambrecht-Schadeberg.

Projektionen im historischen Treppenhaus von Diane Thater, © MGK Siegen und Diana Thater. Foto: Roman Mensing

Installation im historischen Treppenhaus

Direkt gegenüber dem Unteren Schloss, der einstigen Residenz derer zu Nassau-Siegen, zeigt das Museum darüber hinaus regelmäßig Sonderausstellungen aktueller Positionen der Kunst und präsentiert die eigene Sammlung von Gegenwartskunst in wechselnden Konstellationen. Dazu gehört unter anderem die bekannte Serie von Siegener Fachwerkhäusern, fotografiert vom Künstlerehepaar Bernd und Hilla Becher.

Niemals ausgeliehen wird indes die Videoinstallation der kalifornischen Künstlerin Diana Thater („Broken Circle“) im Treppenhaus des historischen Museumsgebäudes. Die fünf flimmernden Bildsequenzen vom Testbild über galoppierende Wildpferde bis zum durch und durch inszenierten Hollywood-Spektakel folgen dem spiralförmigen Verlauf der Treppe bis ins Obergeschoss. Dort warten dann, wie gesagt, Francis Bacon, Hans Hartung, Fritz Winter, Maria Lassnig, Niele Toroni und all die anderen. Und wer noch? 2022 ist es wieder soweit. Dann kommt ein neuer Name hinzu. Und mindestens ein neues spannendes Werk für die Ausstellung im Museum für Gegenwartskunst in Siegen.

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